Craft Beer als Klimasünder?

Der größte Trumpf industrieller Braumarken ist nicht der Geschmack. An den haben sich Biertrinker*innen zwar längst gewöhnt, doch Geschmäcker könne sich rasant verändern. Der größte Trumpf industrieller Braumarken sind ihre Infrastruktur und Logistik. Sie haben ein Vertriebsnetz, das es ermöglich, effizient und in teilen ökologisch sinnvoll zu verkaufen. Der Siegeszug der 330ml-Einwegflasche wurde zwar von den Industriegiganten vorbereitet („Dreh und trink“), die Akzeptanz dieser Flaschen hilft allerdings auch Kleinbrauereien, die sich die Teilnahme am Pfandsystem schlicht und einfach nicht leisten können.

Der Weg einer Flasche wird in diesem Video gut nachgezeichnet.

Der Mehrweganteil liegt in Österreich bei 68%1Siehe dazu Bierland Österreich., ein Markt auf dem die meisten Kleinbrauereien nicht mitspielen. Sie setzen auf Einwegflaschen. Vor allem Wanderbrauereien fehlt die Infrastruktur für die Teilnahme am Pfandsystem, auch der Export ist so leichter möglich. Die Flaschen brauchen weniger Platz in Supermarktregalen und fühlen sich trotzdem, im Vergleich zur Dose, hochwertig an. Doch die Umweltbilanz von Einwegflaschen ist katastrophal, der hohe Energieaufwand bei ihrer Herstellung steht in keiner Relation zur einmaligen Nutzung.

Vor allem die gesteigerte Mobilität von Bier unterstreicht ein Problem des Pfandsystems. Schwere Flaschen legen weite Wege doppelt (voll und leer) zurück, Flaschen die dem System nicht wieder leer zurückgeführt werden senken die Umlaufzahlen weiter. Verschiedene Flaschenformen und gebrandete Flaschen erschweren die Arbeit noch dazu, in Deutschland spricht man bereits von einem Pfandsystem in der Krise.

Im Export werden Dosen deshalb immer wichtiger, ihr geringes Gewicht machen ein zentrales Problem von Glas fast obsolet. Doch auch wenn die Umweltbilanz der Dose so auf die Entfernung immer besser wird, bleibt ein ganz anderes Problem: Aluminiumdosen müssen fachgerecht recycelt werden und dürfen auf keinen Fall im Restmüll landen. Sie sind innen mit Kunststoff beschichtet und dementsprechend nicht einfach einzuschmelzen und zu einer neuen Dose zu verarbeiten. Außerdem entsteht bei der Herstellung von Aluminium als Abfallprodukt giftiger Rotschlamm. Dieser ist nur schwer nutzbar zu machen und wird deshalb meist endgelagert, oftmals unter fragwürdigen Bedingungen.

Einen ausführlichen Vergleich der Gebindeformen
hat Gastautor Tilo Schwarzbach hier unternommen.

Am ökologischsten schneidet nach wie vor Fassbier ab, doch auch hier gibt es ein Einweg/Mehrweg-Gefälle. Vor allem internationale Biere werden in Plastikfässern, meist den sogenannten Keykegs geliefert. Diese haben für den Export wiederum den Vorteil, dass sie sehr leicht sind, können allerdings nicht wiederverwendet, sondern müssen recycelt werden. Dafür sind eigene Abgabestationen notwendig, mir ist keine in Österreich bekannt. Die Firma Keykeg selbst empfiehlt eine Entsorgung via Betriebsabfall2Siehe FAQs, Punkt 16. und bleibt öffentlich schwammig. Die Umweltbilanz dürfte der von Plastikeinwegflaschen ähneln, klare Antworten sind in dieser Hinsicht allerdings prinzipiell rar.

Vor allem bei hopfigen Bieren gibt es dass Problem, dass sich die Aromaöle des Hopfens bei höherer Temperatur schneller verflüchtigen. Will man also, dass hopfenbetontes Bier länger frisch schmeckt, muss man (a) schnell verkaufen und (b) kalt lagern. Der zweite Punkt stellt ein Problem dar, denn eine möglichst ununterbrochene Kühlkette, die immer mehr als Ideal hervorgehoben wird, frisst Strom. Auch der Bau und Transport der dafür nötigen Geräte (Kühlcontainer, Kühlräume, Kühlschränke, …) brauchen Ressourcen. Ein Dilemma, denn missachtet man den Faktor Kühlung, wird das Bier schneller geschmacklich schlecht – und verkauft sich dadurch schlechter.

Dazu kommen noch andere Faktoren, wie der Ressourcenhunger bestimmter bei Craftbrauern beliebten Biersorten. Industrielle Brauanlagen erreichen noch dazu eine Effizienz in der Ausbeute, von der Nutzer*innen von kleineren Anlagen oft nur träumen können. Bedeutet das, dass wir sofort mit dem Biertrinken aufhören sollten? Nein. Aber es ist zentral, sich die Probleme vor Augen zu führen, um an Lösungen arbeiten zu können. Das wird nur durch angestrengte Zusammenarbeit möglich sein. Industrielle Brauereien sind nämlich längst dabei, dieses Thema zu ihren Gunsten zu deuten.

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